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Arbeitsgestaltung und Ergonomie

Unsere Forschungsschwerpunkte

Beschwerden am Stütz- und Bewegungssystem sind die Hauptursache für zeitweilige oder dauerhafte Arbeitsausfälle. Oftmals führen sie für die Betroffenen zu einer erheblichen Verschlechterung der Lebensqualität. Zudem haben sie in den Betrieben beträchtliche wirtschaftliche Ausfälle zur Folge.

Schädigungsmechanismen, die im Arbeitsalltag eine Belastung des Stütz- und Bewegungssystems zu einer Fehlbelastung werden lassen, konnten noch nicht hinreichend geklärt werden. Aus diesem Grund führen wir Untersuchungen zum Verhältnis zwischen Belastungen und Beanspruchungen speziell des Stütz- und Bewegungssystems durch. Aus diesen Untersuchungen gewinnen wir Erkenntnisse zu Verletzungsrisiken und leiten Maßnahmen zur Prävention von Fehlbelastungen ab.

Zusammenfassung der Ergebnisse aus unseren Studien

In unserer Forschungsarbeit verfolgen wir unterschiedliche Untersuchungsansätze, um die Belastungen und Schädigungsmechanismen zu analysieren. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse nach Untersuchungsmethode finden Sie im Folgenden:

Wirbelsäulen-Modelle konzentrierten sich in der Vergangenheit darauf, einzelne Arbeitshandlungen bezüglich ihrer Belastung zu beurteilen. Man konzentrierte sich auf den Bandscheibendruck, die Berechnung erfolgte invers-dynamisch, also tatsächlich gemessene Bewegungen wurden mit den Modellen analysiert. Die Belastungs-Einschätzung mit diesem Ansatz ist auch heute noch korrekt, jedoch erfährt man nichts über körperinnere Wirk-Zusammenhänge. Lediglich grundlegende externe Wirkmechanismen wurden aufgedeckt: Lange Hebel (weg vom Körper, schlechte Körperhaltung) und hohe Lasten wurden als Risikofaktoren identifiziert.

Inzwischen haben moderne Modelle einen gewaltigen Sprung bezüglich der Strukturauflösung erfahren. Muskeln, Bänder, Bandscheiben und Gelenke treiben die Modelle aktiv und auch passiv an. Der Simulations-Prozess ist vorwärtsdynamisch, d. h. alle genannten krafterzeugenden Strukturen generieren aufgrund von Kraftgesetzen die gewünschte Bewegung. Da die Kraftgesetze der Einzelstrukturen bekannt sind, können kritische Lastgrenzen in jeder Struktur berechnet werden. Während einer einfachen, von der Schwerkraft losgelösten Beugung der Lendenwirbelsäule, konnte gezeigt werden, dass nennenswerte Druckkräfte auf die Bandscheibe erzeugt werden. Das geschieht im Kraft-Gleichgewicht (actio = reactio) mit den dorsalen Bändern. Das Beugen des Rückens, wie es beim Sitzen oder bei wiederholten Bewegungen im Arbeitsprozess auch ohne große externe Belastung auftritt, ist nach hohen Gewichten und großen Hebelarmen ein weiterer Einflussfaktor, welcher innere Belastungen erzeugt. Die Belastung erfährt nicht nur die Bandscheibe, sondern auch Zugstrukturen wie z. B. dorsale Bänder. Insbesondere langanhaltende oder häufig wiederkehrende Beugungen sollten daher vermieden werden. Dies ist ein Erklärungsansatz für Schmerzen, welche belastungsbedingt auch in anderen Strukturen als der Bandscheibe auftreten.

 

Die Trainingsstudien zeigen – ob nun der Rücken oder die Schultern trainiert wurden – dass der Trainingserfolg stark von individuellen Eigenschaften der Trainingsteilnehmer geprägt ist. Am Beispiel des Trainings mit dem Rumpfmuskulatur-Trainingsgerät "Centaur" zeigte sich, dass nur die Hälfte der Teilnehmer einen positiven Effekt erzielen konnten, der Rest hatte keinen oder gar einen negativen Trainingserfolg. Der negative Trainingserfolg war von individuellen Komfort-Problemen mit dem Trainingsgerät geprägt. In solch einer Situation ist es schlecht, wenn man keine Alternativen anbieten kann.  Studien an einem anderen Trainingsgerät für die Rumpfmuskulatur "Pegasus" und vor allem das Schultertraining zeigen, dass unterschiedliche Trainingsinhalte und vor allem verschiedene Trainingsgeräte zu nahezu gleichen Trainingsresultaten führen.
Rehabilitatives Training sollte daher vielfältig sein. Neben der individuellen und auch trainingszustandsabhängigen Belastbarkeit, spielt die Variabilität des Trainings eine große Rolle. Neben Änderung der Parameter zur Belastungssteigerung (Umfang, Intensität, Häufigkeit) sollten auch Trainingsinhalte variiert werden, also in verschiedenen Einheiten unterschiedliche Übungen und Geräte zum Einsatz kommen. Super-Trainingsgeräte oder alleinige Allheilmittel sind erfahrungsgemäß nur Marketingmaschen von Sportgeräte-Herstellern, die Wirksamkeit ihrer Geräte wurde oft nicht nachgewiesen oder kann wohlmöglich auch nicht nachgewiesen werden.

Messungen zu Beanspruchungen an unterschiedlichen Arbeitsplätzen zeigen bei mechanisch vergleichbarer Belastung, dass unterschiedliche Personen diese Belastung unterschiedlich verarbeiten, also unterschiedlich beansprucht werden. Erfahrungen, persönliche Voraussetzungen und der allgemeine Fitnesszustand spielen hierbei eine entscheidende Rolle. Es kann z. B. gezeigt werden, dass junge Personen mit einem hohen Fitnesszustand eine ungewohnte Belastung schlechter bewältigen als ältere, weniger trainierte Personen, die jedoch über einen größeren Erfahrungsschatz und eine effektivere Arbeitstechnik bei der entsprechenden Tätigkeit verfügen.

Im Rahmen der Messungen am Arbeitsplatz wurden verschiedene arbeitserleichternde Maßnahmen (z. B. Arm-Entlastungsschlaufen oder Oberkörperstützen) untersucht. Alle Maßnahmen oder Geräte können empfohlen werden, jedoch ist die individuelle Passgenauigkeit zu gewährleisten. Auch ist davon abzuraten, dass Entlastungsgeräte oder Entlastungsmaßnahmen nach festen Vorgaben genutzt werden müssen. Die höchste Akzeptanz und Anwendungsquote wurde bei freiwilligen Angeboten nach individuellem Zeit-Regime dokumentiert.

Typische Maße zur Einschätzung der Schwere einer Arbeit wie z. B. zu manipulierendes Gewicht, Häufigkeit der Lastmanipulation oder Zwangshaltungen greifen allein nicht, um Besonderheiten spezifischer Arbeitsplätze zu beschreiben. Inzwischen sind Zwangshaltungen (z. B. häufiges Vorneigen des Rumpfes) eine der häufigsten Ursachen für Beschwerden an den untersuchten Arbeitsplätzen. Das Manipulieren großer Lasten kommt nur noch relativ selten vor. Aufgrund konstruktiver Zwänge (teilweise höherer Kategorie zum Schutz des Lebens) können Arbeitserleichterungen manchmal nur durch organisatorische Maßnahmen (z. B. Job-Rotation) erreicht werden.

Kooperation

Der Forschungsbereich kooperiert intensiv mit dem Kompetenzzentrum für Interdisziplinäre Prävention der Friedrich-Schiller-Universität Jena (KIP) und der BGN. Dadurch kann auf die Expertise aus vielen wissenschaftlichen Fachrichtungen (Biomechanik, Physiologie und Pathophysiologie, Sportwissenschaft und Sportmedizin, Psychologie, Radiologie, Evolutionsbiologie etc.) zurückgegriffen werden.  Zusätzlich können für spezielle Fragestellungen qualifizierte Untersuchungsverfahren im Labor des KIP genutzt werden.